Der Helio P60 ist der neueste Mittelklasse Prozessor von Mediatek. Mediatek verabschiedet sich erstmals in der Geschichte der Helio P Serie von der HMP (Heterogeneous Multiprocessing) Architektur und setzt auf ein big.LITTLE Setup, in welchem allerdings alle Kerne den gleichen Takt haben. Es kommen hier je vier ARM Cortex A53 und ARM Cortex A73 Kerne mit einem Takt von 2GHz zum Einsatz. Damit steigert sich die CPU Leistung verglichen mit den Vorgängern der Helio P20 Serie sehr deutlich. Zusätzlich spendiert Mediatek dem Chip eine neue GPU. Hier setzt man jetzt auf eine Mali G72 MP3 (= 3 Kerne), die mit einem Takt von 800MHz arbeitet. Gefertigt wird das SoC mit 12nm - bei den Vorgängern waren es noch 16nm. Der Helio P60 ist also deutlich modernisiert worden und verspricht so weniger Abwärme und eine gesteigerte Effizienz.
Abseits davon gibt es noch einige weitere Neuerungen, welche den Helio P60 zu einem starken Mitbewerber in der Mittelklasse machen:
Geschlafen hat Mediatek allerdings bei der Bluetooth Unterstützung. Während Qualcomm längst Bluetooth 5.0 in fast allen neuen Chip unterstützt, setzt Mediatek nach wie vor auf Bluetooth 4.2. Sicherlich dürfte das für die Meisten kein Nachteil sein, etwas mehr zukunftssicheres Denken wäre aber schön gewesen. Doch wie schlägt sich der Mediatek Helio P60 in der Realität? Finden wir es heraus!
Wir haben den Helio P60 durch einige gängige Benchmarks gejagt und die Ergebnisse mit diversen anderen Smartphone SoC verglichen. Mit dabei sind die Vorgänger des Helio P60, aber auch die Mitbewerber aus dem Hause Qualcomm. Außerdem hat sich der Snapdragon 845 dazugesellt, damit auch der Abstand der aktuellen Mittelklasse zum High-End Segment sichtbar wird.
Bei Antutu handelt es sich um einen "All in One Benchmark". Hier wird also nicht nur eine spezifische Komponente getestet, sondern alles, was ein SoC ausmacht. Grafik, CPU, Speicheranbindung sind die wichtigsten Punkte. Antutu versucht also die Gesamtleistung eines SoC möglichst gut abzubilden.
Der Helio P60 startet an dieser Stelle auch gleich mit einer dicken Überraschung ins Rennen. Er lässt den Snapdragon 660 mit einem kleinen Vorsprung hinter sich und sitzt damit direkt zwischen diesem und dem Snapdragon 845. Würde man den neuen Snapdragon 710 noch mit dazu nehmen, würde sich dieser zwischen dem Snapdragon 845 und dem Helio P60 quetschen. Laut Antutu erreicht der Helio P60 also knapp 50% der Leistung eines Snapdragon 845. Das sieht zunächst beeindruckend aus. Dennoch sollte man sich davon nicht in die Irre führen lassen. Dazu kommen wir aber später noch.
Hier haben wir nur den Geekbench CPU Test laufen lassen. Dieser bewertet die Single und Multi Core Performance einer CPU. Wichtig ist vor allem die Single Core Performance, da diese die spürbare Leistung ausmacht. Nicht alle Apps und Prozessor nutzen alle CPU Kerne. Diese sind es, welche von einer höheren Einzelkern-Leistung profitieren.
Mediatek hat große Erfahrung mit vielen Prozessor Kernen und setzt hier seit Jahren den Fokus. Mit CorePilot hat man eine eigene Technologie zum Verteilen von Prozessen auf mehrere Kerne am Start, welche die Leistung deutlich steigern kann. Davon profitiert auch der Helio P60 und zieht seinen Konkurrenten im Geekbench Multi Core Test deutlich davon. Bedenkt man, dass im Snapdragon 660 sehr leistungsfähige Custom Cores von Qualcomm stecken, im Helio P60 dagegen nur Standard ARM Kerne, ist der Vorsprung beachtlich. Dennoch landet der Helio P60 am Ende hinter dem Snapdragon 660. Grund dafür ist die (minimal) schlechtere Single Core Leistung. Und genau nach dieser haben wir das Diagramm geordnet - immerhin ist die Single Core Performance wie eingangs erwähnt am relevantesten für die spürbare Performance.
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PCMark basiert auf diversen Tests die Situationen aus dem Alltag widerspiegeln. Dazu zählen Aufgaben bei denen nicht nur die CPU sondern auch die GPU belastet wird. Es ist also mit einem ähnlichen Ergebnis wie im Antutu Benchmark zu rechnen, was auch der Fall ist.
Der Helio P60 führt die in diesem Test repräsentierte Mittelklasse an und reiht sich damit direkt hinter dem Snapdragon 845 ein. Interessant ist dabei jedoch, dass der Vorsprung vom Helio P60 gegenüber dem Snapdragon 660 deutlich höher ausfällt. Der Grund dafür ist die gute Multi-Core Optimierung des Chips (Core Pilot). PCMark enthält mehrheitlich Tests die von einer hohen Multi-Core CPU Leistung profitieren.
3DMark ist ein 3D Benchmark und testet hauptsächlich die Grafikleistung. Je leistungsfähiger die GPU, desto größer der Vorteil in 3DMark. 3DMark bietet verschiedene Tests die unterschiedlich anspruchsvoll sind. Wir haben in diesem Fall den Sling Shot Test laufen lassen, welcher sich in Sachen Ansprüchen im Mittelfeld bewegt.
In diesem Test reiht sich der Helio P60 in der Mitte zwischen dem Helio P25 und dem Snapdragon 636 ein. Der Sling Shot Test läuft relativ kurz, weshalb es bei keinem der Chips zu Thermal Throttling kommt. Der Test spiegelt deshalb die Realität sehr gut wieder, und zeigt, wo der Helio P60 in Sachen Grafikleistung einzuordnen ist. Wie zu erwarten war, gibt Qualcomm beim Thema GPU nach wie vor die Richtung vor.
GFXBench ist ebenfalls ein Benchmark mit Fokus auf die Grafikleistung. Der Helio P60 bietet Unterstützung für Vulkan. Da dies jedoch nicht bei allen Chips im Vergleich der Fall ist, haben wir uns einen Test auf OpenGL ES 3.1 Basis für den Vergleich herausgepickt, was von allen Chips unterstützt wird. Gewählt wurde der Manhattan 3.1 Test, welcher relativ anspruchsvoll ist und nur von High-End Chips völlig flüssig wiedergegeben wird.
Hier zeigt sich sehr schön, wie stark die GPU im Snapdragon 845 ist. Der Chip zieht dem Rest deutlich davon und erreicht mehr als das Dreifache der Framerate des Snapdragon 660. Interessanterweise schlägt sich der Helio P60 in diesem Test gar nicht so schlecht. Mit 11fps liegt er zwar deutlich hinter dem Snapdragon 660 (14fps), jedoch immer noch vor dem Snapdragon 636 (9,1fps), von dem er im 3DMark noch geschlagen wurde. Es scheint, als ob die GPU vom Helio P60 bei Aufgaben, welche die GPU überfordern, besser abschneidet als die GPU im Snapdragon 636. Dies dürfte jedoch weniger auf die GPU selbst als auf die Abwärme zurückzuführen sein. Der Snapdragon 636 wird mit 14nm gefertigt und entwickelt unter Volllast mehr Abwärme. Dies könnte zu einer Drosselung der GPU Leistung führen, was sich dann wiederum in einem unerwartet niedrigeren Ergebnis äußert. Hier spielt allerdings auch die Kühlung des jeweiligen Testgerätes eine Rolle, sodass dieses Ergebnis nicht unbedingt die Realität widerspiegelt.
Mediatek Chips können Hitzköpfe sein. Mit den neueren Prozessoren mit kleinerer Strukturbreite und neuen Versionen von Corepilot hat sich das jedoch deutlich gebessert. Mit den Chips von Qualcomm konnte die Helio P20 Serie aber immer noch nicht mithalten. Hat sich das mit dem Helio P60 verbessert? Schauen wir es uns an.
Um die Abwärme des Chips darzustellen haben wir ihn mit einem Spiel (Asphalt 9 im Replay Modus) unter konstante Last gesetzt. Das Smartphone lag dabei auf einem Holztisch bei 22°C Zimmertemperatur ohne zusätzliche Kühlung. Das Smartphone lag 5 Minuten im Standby mit pausiertem Spiel herum, um eine normale Temperatur als Grundlage zu erreichen. Dann wurde das Smartphone aufgeweckt, das Spiel aus dem Hintergrund gestartet und die Temperatur über 5 Minuten im 10-Sekunden Takt erfasst. Ausgehend von einem Idle Wert von 29°C stieg die Temperatur flott auf einen Wert von 39°C. Ab hier blieb sie dann jedoch sehr stabil zwischen 39°C und 43°C. Höchstwerte von 60°C und mehr, wie man sie noch vom Helio P20, P23 und P25 kennt, wurden nicht erreicht. Das Smartphone hatte sich nach dem Test spürbar erwärmt, war jedoch nicht unangenehm heiß. In diesem Bereich scheint der Helio P60 also endlich mit Qualcomm Chips gleichzuziehen.
Oben wurde im letzten Satz allerdings bewusst das Wort "scheint" genutzt. Tatsächlich schafft Mediatek das nämlich nur mit einem Trick. Führt man einen CPU Throttle Test aus, wird sichtbar, wie Mediatek die Temperatur in dem ermittelten Bereich hält.
Der Chip drosselt die Leistung immer wieder kurz auf ca. 60% der Maximalleistung. Dadurch sinken die Temperaturen ab. Anschließend wird wieder die volle Leistung geliefert. Dieses Muster wiederholt sich konstant durch den ganzen Test. Bei Qualcomm Chips ist das Phänomen nicht zu beobachten. Im Endeffekt kommt es aber auf die Ergebnisse an und die können sich sehen lassen. Da das Thermal Throttling jeweils nur äußerst kurz anhält, macht sich das in der realen CPU Leistung kaum bemerkbar. Zwar nimmt die Frequenz der Drosselung gegen Ende eines 5-minütigen Tests zu, doch es kommt nie zu einer konstanten Drosselung der Leistung. Der Helio P60 liefert auf Dauer eine gute Leistung ab ohne sich übermäßig zu erwärmen.
Bei normaler Nutzung, also Surfen, Facebook und Co., kann man den Helio P60 durchaus mit einem Snapdragon 660 vergleichen. Die "Smoothness" von Android fällt ähnlich aus. Apps die auf dem Helio P23, P20 und P25 noch deutliche Ruckler gezeigt haben, laufen nun absolut flüssig. Kein Wunder: Die reine CPU Leistung übertrifft jene des Snapdragon 660. Dennoch gibt es Unterschiede. Diese fallen dann auf, wenn die GPU gefordert ist. Hier kann es in der UI zu gelegentlichem Stottern oder Micro Rucklern kommen. Das führt dazu, dass sich ein Snapdragon 660 doch noch eine Ecke runder anfühlt.
Das Nachsehen hat der Helio P60 in Spielen. Mediatek zeigt im Grafik Bereich eine notorisch schwache Leistung. Es werden immer recht schwache GPUs mit wenigen Kernen verbaut. Das hat sich in der Vergangenheit gerächt und tut es auch hier wieder. Die GPU im Helio P60 ist deutlich schwächer als die GPU in vergleichbaren Qualcomm Chips (Snapdragon 660 / Snapdragon 636). Bei anspruchsvollen Spielen macht sich das in Form von geringeren Framerates bemerkbar. Zwar laufen diverse Titel wie Unkilled, Asphalt Xtreme, Asphalt 9, World of Tanks Blitz und PUBG deutlich flüssiger als auf dem Helio P23, doch zukunftssicher ist die Grafikleistung auf keinen Fall. Die letzten beiden genannten Titel lassen sich maximal auf mittleren Einstellungen flüssig spielen.
Mediatek liefert mit dem Helio P60 einen soliden Mittelklasse Prozessor ab, welcher für einen deutlichen Leistungsschub in günstigen Smartphones sorgt. Der Chip arbeitet effizienter und braucht trotz der Mehrleistung spürbar weniger Strom, was sich vor allem beim Spielen bemerkbar macht. Der Ladestand geht deutlich weniger schnell bergab als bei einem vergleichbaren Helio P23 Gerät. Hinzu kommt, dass der Chip weniger Abwärme entwickelt, wenngleich Mediatek dafür in die Trickkiste greifen musste. In der Leistung spiegelt sich die Trickserei glücklicherweise kaum wieder. Enttäuschend ist allerdings, dass es Mediatek nach wie vor nicht für nötig hält die Grafikleistung zu steigern. Hätte man der GPU mehr Kerne spendiert, wäre der Helio P60 ein ernstzunehmender Kandidat als Snapdragon 660 / 636 Alternative. So ist er das zwar auch, allerdings nicht für Nutzer die gerne Spielen und dabei hohe Ansprüche an die Grafikpracht und konstante Frameraten haben.
Kommentare 2
Ja, leider haben die Entwickler bei Mediatek immer noch nichts gelernt aus der Vergangenheit.
Sie könnten bessere GPU's verbauen und so in einer höheren Liga mitspielen, wenn sie Mal mit dem schlafen aufhören würden.
Ich empfinde diesen SoC jetzt nicht so gut und wie der Energieverbrauch ist möchte ich gar nicht erfahren. Der snapdragon 660 hat eine bessere GPU wodurch die hohe cpu Leitung komplett ausgenutzt wird und nicht so wie bei mediatek