Smartphones mit mehreren Kameras haben sich während der letzten paar Jahre zu dem Trend schlechthin entwickelt und sind mittlerweile zum Standard geworden. Beinahe jedes High-End und Mittelklasse Smartphone hat mindestens eine Dual Kamera am Start und auch im Einsteiger Segment halten mehrere Kamera Sensoren Einzug. Natürlich wollen auch die kleinen Chinahandy Hersteller mitmischen und bringen seit mehreren Jahren entsprechende Geräte auf den Markt. Wie sich in unseren Testberichten allerdings immer wieder gezeigt hat, sind die meisten Dual Kameras nichts anderes als Betrug. Zwar werden bei fast allen Geräten tatsächlich zwei Sensoren verbaut, doch diese entsprechen oft nicht dem, was im Datenblatt steht. Oftmals findet man billigste VGA Sensoren vor, welche keinen Mehrwert bieten. Noch viel schlimmer ist allerdings der Umstand, dass die Sensoren in den meisten Fällen noch nicht einmal genutzt werden. Im Factory Mode der Smartphones tauchen die zusätzlichen Kameras entweder gar nicht auf oder geben einfach kein Bild aus. Der Grund dafür war in der Vergangenheit oftmals, dass die verbauten Prozessoren überhaupt nicht mit Dual Kameras umgehen können. Doch das hat sich im Laufe der Zeit geändert - Fake Dual Kameras sind dagegen trotzdem nicht ausgestorben. Das, was bei solchen Geräten als Bokeh Effekt verkauft wird, ist nichts weiter als ein scharfer, kreisförmiger Ausschnitt mit unscharfem Rand, welchen man mit einem Regler im Durchmesser verändern kann. Einen zweiten Sensor braucht es dafür nicht und auch ein Algorithmus zur Kantenerkennung liegt dem nicht zugrunde.
In letzter Zeit muss man fairerweise trotzdem anerkennen, dass sich diverse kleine Chinahandy Hersteller bessern. Jüngst landen vermehrt Testgeräte von UmiDigi, Ulefone und Co. bei uns im Testlabor, welche echte Dual Kameras am Start haben. Die Qualität des Bokeh Effektes lässt zwar oftmals stark zu wünschen übrig, doch immerhin sind die Dual Kameras dann kein kompletter Betrug mehr. Da könnte man glatt denken, dass die kleinen Hersteller es endlich gelernt haben und die Finger von solchen Betrügereien lassen, mit denen sie zwar marketingtechnisch erstmal Erfolg haben, am Ende jedoch ihre Kunden enttäuschen und verlieren. Falsch gedacht! Mit dem jüngst aufstrebenden Trend hin zu Triple Kameras, erreicht der Kamera Betrug der Chinesen nun das nächste Level und man macht ähnlich weiter wie zuvor. Wir hatten ja schon einmal ein günstiges Chinahandy mit Triple Kamera im Test: das Elephone A5. Die versprochene Triple Kamera hat sich hier schnell als Fake entpuppt. Im Factory Mode tauchen nur zwei der drei rückseitigen Sensoren auf und können erfolgreich getestet werden. Gräbt man weiter im System, findet man einen nicht angebundenen 0,3MP Sensor für das dritte Kameramodul. Die Frontkamera hat sich ebenfalls als Fake entpuppt. Der zweite Sensor mit 2MP Auflösung ist hier ebenfalls nicht angebunden und gibt somit kein Bild aus.
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Nun hat Ulefone ein neues Low-Cost Smartphone für Einsteiger an den Start gebracht, welches bereits auf dem Mobile World Congress ausgestellt wurde. Das Ulefone S11 verspricht für kleines Geld eine Triple Kamera zu bieten. Diese soll sich laut Ulefone aus einem 13MP Hauptsensor und zwei 5MP Sekundärsensoren zusammensetzen. Ulefone verspricht zudem dank dem so beliebten ArcSoft Algorithmus und weiteren Optimierungen eine solide Multi-Kamera-Leistung. Das ganze klingt natürlich erstmal vielversprechend und im Grunde könnte man Ulefone die Leistung auch zutrauen, denn mit dem Ulefone Armor 6 hat der Hersteller gezeigt, dass man immerhin gute Dual Kameras umsetzen kann - wenn man will. Doch beim weiteren Blick auf das Datenblatt fangen die Alarmglocken schnell an zu schrillen.
Im Ulefone S11 steckt nämlich ein uralter Prozessor, der MT6580. Dieser kam kürzlich auch schon im Armor X2 zum Einsatz und hat sich im Test als nicht mehr zeitgemäß und unbenutzbar entpuppt. Der Punkt alleine macht das Ulefone S11 schon ziemlich unattraktiv, doch es geht noch weiter. Schaut man sich das Datenblatt des Prozessors an, wird schnell klar, dass der Chip keine Dual Kameras unterstützt. Und das kommt keinesfalls überraschend, denn zur der Zeit, als der MT6580 aktuell war, gab es schlicht und einfach noch keine Dual Kameras in Smartphones. Das Argument, dass man mehrere Kamerasensoren auch mit einem separaten Chip ansteuern kann ist zwar valide, hier jedoch irrelevant, da dies den Preis unnötig in die Höhe treiben würde, was bei der schwachen Ausstattung des Smartphones keinen Sinn ergibt. Somit können wir euch schon jetzt prophezeien, dass das Ulefone S11 nur einen funktionsfähigen Sensor in der Hauptkamera bieten wird. Die restlichen Sensoren sind Dekoration und sollen unwissende Kunden anlocken. In Deutschland würde man Ulefone dafür wettbewerbsrechtlich in Grund und Boden klagen. Und es gibt noch einen weiteren Punkt, warum das, was Ulefone da bewirbt, nicht stimmen kann. Addiert man die Auflösung der Sensoren, so kommt man auf 23MP. Der MT6580 unterstützt allerdings maximal 13MP für die Haupt- und 8MP für die Frontkamera. Um höhere Auflösungen zu realisieren, müsste man nacheinander Bilder mit den drei verbauten Kameras erzeugen und diese dann per Software zusammenrechnen. Hier wird dann allerdings die geringe Rechenleistung des Prozessors zum Flaschenhals. Die Berechnungen würden zu lange dauern, sodass aufgrund der Wackler die man mit Aufnahmen aus der Hand erzeugt, die Bildinformationen zu stark voneinander abweichen würden.
Somit zeigt sich: Der Kamera Betrug der kleinen Chinahandy Hersteller hat endgültig das nächste Level erreicht. Die Unternehmen schrecken, auch wenn sie es eigentlich besser können, nicht davor zurück ihre Kunden nach Strich und Faden zu veräppeln. Das schnelle Geld hat für solche Hersteller wohl einen höheren Stellenwert als die Zufriedenheit der Kunden. Dass man sich so selber ins Abseits schießt, ist wohl immer noch nicht in den Führungsetagen angekommen. Solange sich die kleinen "China Klitschen" nicht fangen, gibt es kaum einen Grund zu Geräten der Hersteller zu greifen. Immerhin gibt es mit Xiaomi und Meizu große und erfolgreiche Hersteller aus China, die so gut wie alles besser machen und mittlerweile so gut wie alle Preis- und Geräteklassen abdecken. Sobald die chinesische Regierung die massiven Förderungsprogramme (Export wird staatlich belohnt!) für Firmen wie Ulefone, Elephone, UmiDigi, Doogee und wie sie alle heißen einstellen würde, könnten wir ein großes Massensterben beobachten. Dass es dazu früher oder später kommen wird, steht außer Frage. Die Hersteller sollten ihre betrügerischen Geschäftstaktiken also dringend überdenken.
Doch warum verkaufen sich solche Geräte überhaupt noch? Der Grund liegt in unseren Augen hauptsächlich bei den Medien. In der heutigen Zeit zählen Fakten und gewissenhafte Tests nicht mehr viel. Die meisten Magazine, Blogs, YouTuber und Influencer sind in erster Linie auf Geld aus. Zahlt ein Hersteller oder lässt kostenlose Testgeräte springen, ist man dort schon zufrieden. Auch in Tests wird dann gerne mal wohlwollend über offensichtliche Probleme (nicht nur Fake Kameras) hinweggesehen oder diese durch die Blume umschrieben. Den Begriff "Kamera Betrug" findet man auf den wenigsten Kanälen. Da wird allenfalls der Bokeh Effekt als qualitativ mittelmäßig bezeichnen. Natürlich ist es unfair, sämtliche Medien, YouTuber, Blogger und Influencer über einen Kamm zu scheren, denn es gibt natürlich lobenswerte Ausnahmen. Dass Schönfärberei und das Motto "Marketing vor Journalismus" in der Medienlandschaft leider Gottes zu einer weit verbreiteten Praxis geworden ist, lässt sich allerdings schwer leugnen. Und so kommt man nicht darum herum entsprechende Publikationen als Komplizen in dieser betrügerischen Branche zu bezeichnen. Immerhin sind sie es, die den Löwenanteil des Marketings für solche Hersteller betreiben. Beiträge wie diesen sollte man an jeder Stelle finden und mit nur einer Google Suche finden können. Leider ist dies nicht der Fall.
Kommentare 1
Danke für den ausführlichen Bericht, Christopher! Wir haben auch das Gefühl, dass in China das schnelle Geld bei einigen kleinen Herstellern einen höheren Stellenwert als die Zufriedenheit der Kunden bzw. gibt es deutliche Mentalitätsunterschiede.